Wie schon der berühmte Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren."

 

Das bedeutet, dass zwei Lebewesen, die einander wahrnehmen, auch kommunizieren – egal ob mit Worten, Gestik oder Mimik oder ihrem Verhalten. Auch jedes Verhalten ist Kommunikation. So beginnt die zwischenmenschliche Kommunikation schon vor der Geburt im Mutterleib und sie ist für uns lebensnotwendig. 

Kommunikation ermöglicht Teilhabe, Selbständigkeit und Unabhängigkeit. 

Begriffserklärungen

Unterstützte Kommunikation

Kommunikation ist ein Grundbedürfnis und somit ein entscheidender Faktor für die Lebensqualität eines Menschen, denn sie ermöglicht Selbstbestimmung und Partizipation. Wenn nun aber die Verständigungsfähigkeiten nicht hinreichend entwickelt sind, benötigen die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sprachergänzende Angebote zum Verstehen und Verständigen. Unterstützte Kommunikation steht für alle Methoden, die die Lautsprache ergänzen oder ersetzen können, sowie für Methoden zur Anbahnung des Kommunikationsbedürfnisses und des kommunikativen Verhaltens. Im internationalen Kontext spricht man von AAC (Augmentative and Alternative Communication), also ergänzende und alternative Kommunikation. Alternative Kommunikationsformen ermöglichen Menschen mit fehlender oder erheblich eingeschränkter Sprechfähigkeit die Verständigung mit einem anderen System. Dabei handelt es sich um Gebärden, graphische Symbole oder Schrift, die nichtelektronisch oder elektronisch verwendet werden. Ergänzende Kommunikation wird hingegen nicht als Ersatz, sondern begleitend zur Lautsprache eingesetzt. Sie ist vielseitig verwendbar und kann nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch generell zum Beispiel Kindern mit verzögerter Sprachentwicklung, jungen Sprachanfängern und Menschen mit schwer verständlicher Sprache oder nichtdeutscher Herkunftssprache das Verstehen und Verstanden werden erleichtern. Das Ziel ist hier die Überbrückung der Zeit der fehlenden Lautsprache und die Förderung des Spracherwerbs. Unabhängig von der individuell angewandten Methode soll die Unterstützte Kommunikation als erfolgreich und hilfreich erlebt werden und die intrinsische Motivation zum Lautspracherwerb wecken. Damit wird letztlich auch die Selbständigkeit und Unabhängigkeit unterstützt.

 

Gebärden und Gesten

Gebärden sind allgemein festgelegte Zeichen, die spezifische Komponenten wie z.B. die Handform, Handstellung und Ausführungsstelle, Bewegung, Mimik und Mundbild beinhalten.

Der Unterschied zu den alltäglichen Gesten, wie z.B. winken, besteht darin, dass Gesten als Handzeichen meist begleitend zur Lautsprache individuell und kulturabhängig spontan eingesetzt und verstanden werden.

Sie haben die Funktion, das Gesprochene zu unterstützen und Emotionen zu verdeutlichen. Besondere Bedeutung hat hier vor allem die Zeigegeste, das Kopfschütteln und Nicken. Gebärden hingegen müssen ebenso wie die Lautsprache erlernt werden und es gibt in den einzelnen Ländern verschiedene Gebärdensprachen. Die Gebärdensprachen für Gehörlose haben einen umfangreichen Gebärdenwortschatz und eine differenzierte Grammatik. Dabei unterscheidet die Grammatik sich erheblich von der Grammatik der Lautsprache. Die Unterschiede zur Lautsprache sind demnach so gravierend, dass es unmöglich ist, gleichzeitig zu gebärden und in korrekter Lautsprache zu sprechen. Diese Möglichkeit bietet das Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG), das zwar aus der Gebärdensprache abgeleitet ist, jedoch begleitend zur Lautsprache eingesetzt wird und demnach grammatikalisch der Lautsprache entspricht. Es handelt sich hierbei um kein eigenständiges System, sondern um die Visualisierung einzelner spezieller Zeichen zur Unterstützung der lautsprachlichen Kommunikation. Das Gleiche gilt für die Systeme Lautsprachunterstützende Gebärden (LUG), Taktile Gebärden und die verschiedenen Sammlungen einfacher Gebärden, die für die Arbeit mit nicht sprechenden, aber hörenden Menschen entwickelt wurden.

Zu diesen gehört unter anderem die von Etta Wilken konzipierte Gebärden-unterstütze Kommunikation (GuK).

 

Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK)

GuK wurde von Frau Prof. Dr. phil. Etta Wilken zur Förderung des Spracherwerbs bei Kindern mit Down-Syndrom entwickelt. Während ihrer Forschungen hat sich gezeigt, dass das von ihr entwickelte System der GuK maßgeblich zum Erwerb basaler sprachlicher Kompetenzen beiträgt und die Kommunikation und Sprechfreude aufgrund von weniger Frustration angeregt wird. 

Während früher oft die Meinung vorherrschte, dass der Einsatz von Gebärden den Lautspracherwerb beeinträchtigt, ist es inzwischen erwiesen, dass das Gegenteil der Fall ist und Gebärden die lautsprachliche Entwicklung sogar fördern können. In empirischen Untersuchungen wurde belegt, dass durch die Anwendung des lautsprachbegleitenden Gebärdens die akustischen Reize, also das gesprochene Wort, mit der visuellen Wahrnehmung der Gebärden verknüpft werden und in der Kombination einen Merkeffekt haben. Das Verstehen von Wörtern und das Erlernen von lautsprachlichen Äußerungen wird erleichtert, da die Anwender erfahren, dass sie mit den Gebärden erfolgreicher verstanden werden. Dadurch wird die Freude an der Kommunikation geweckt und erhalten. Erste Dialoge werden möglich und die Bezugspersonen erfahren, welche Bedürfnisse, Interessen und Vorlieben das (noch) nicht sprechende Kind hat. Dies wirkt sich gleichwohl positiv auf die Bindung aus.

GuK ist für Kinder ab 9 Monate anwendbar, um den Lautspracherwerb zu unterstützen, sowie für alle Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen Schwierigkeiten mit der Lautsprache haben.  

Die GuK Gebärden umfassen einen Grundwortschatz (GuK 1) und Aufbauwortschatz (GuK 2) mit jeweils 100 Gebärdenkarten, sowie entsprechenden Bild- und Wortkarten. Ergänzt werden diese durch weitere 35 Gebärden (GuK plus) für Kinder ab Schulalter. Darüber hinaus können eigene Gebärden entwickelt werden und das System erweitern.

In der praktischen Anwendung werden nicht alle Wörter gebärdet, sondern man beginnt mit einzelnen Gebärden für Begriffe, die für die Person besonders wichtig sind, wie z.B. „fertig“, „mehr“, „trinken“, „ essen", ...  

Es gilt hierbei unbedingt zu beachten, dass sich an der natürlichen verbalen Kommunikation nichts ändert, und dass weiterhin der Alltag sprachlich begleitet wird. Die Ergänzung durch einzelne bedeutsame Gebärden stellt lediglich eine Unterstützung dar und sollte handlungsbezogen vermittelt werden.

Die Gebärden-unterstützte Kommunikation wirkt sich nicht nur auf den Spracherwerb, sondern auch auf die sozial – emotionale und kognitive Entwicklung aus. Sie ermöglicht dem hörenden Anwender unabhängig von eventuellen Beeinträchtigungen Teilhabe, Selbstwirksamkeit und Kommunikation und vermittelt Freude an der Sprache.

Es ist naheliegend, daraus zu schlussfolgern, dass die GuK auch unabhängig von ihrer ursprünglichen Bestimmung in vielen Bereichen angewendet werden kann. Neben dem  pädagogischen Bereich und der Logopädie und Ergotherapie ist auch die Anwendung in der Pflege mit älteren Menschen, denen die Lautsprache zunehmend schwerer fällt, sowie im Kontext der Mehrsprachigkeit mit Menschen mit Migrationshintergrund denkbar. Im Prinzip kann GuK also überall hilfreich sein, wo Menschen Schwierigkeiten mit der Lautsprache haben. Damit dies nicht nur integrativ, sondern inklusiv passiert, ist ein ganzheitlicher Blick sinnvoll und die Anwendung mit allen Beteiligten der Sprachgemeinschaft, damit diese auch mit den Betroffenen kommunizieren können.

Das ist unsere Mission für mehr Inklusion!

 

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